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Donnerstag, 5. Januar 2012

Bolzplatzlegenden: Ein Vorbild wird 60

Mit gerade einmal 18 Jahren erreichte Ulrich "Uli" Hoeneß ein Anruf aus München. Am Hörer befand sich kein geringerer als Udo Lattek, Trainer des FC Bayern aus München. Er wolle ihn in seiner neuen Mannschaft haben. Auf einem Platz mit Maier, Beckenbauer und Müller: Diese Aussicht war es wohl, die es Hoeneß veranlasste, seinem Heimatort Ulm den Rücken zu kehren, sein Lehramtsstudium abzubrechen und fortan die Schuhe für den FC Bayern zu schnüren. Damals hätte wohl niemand gedacht, dass sich dieser Flirt zu einer mindestens 42 Jahre andauernden Liaison entwickeln würde.
"Er war einfach der reifeste aller Jungen, obgleich er immer der jüngste war." - U. Lattek
Uli Hoeneß etablierte sich schnell im Münchner Ensemble. Kaum in der Bundesliga angekommen, spielte er sich auf der Außenstürmerposition fest und wurde fester Bestandteil der Mannschaft, welche in seiner ersten Saison Vizemeister und Pokalsieger wurde. "Der schnellste lebende Stürmer Europas", wie Hoeneß wegen seiner Schnelligkeit - er sprintete die 100 Meter in elf Sekunden! - genannt wurde, bildete mit Gerd Müller ein fulminantes Sturmduo, welches es in einer Saison einmal auf 53 Tore brachte. Die Erfolge im Verein nahmen kein Ende: Es folgten drei deutsche Meisterschaften und der dreimalige Gewinn des Landesmeisterpokals. Im Finale 1974 gegen Athletico Madrid netzte Hoeneß zweimal ein und sicherte so den Sieg. Ein Jahr später gegen Leeds United allerdings zog er sich im Finalspiel eine Knieverletzung zu, welche, wie sich später herausstellen wird, noch Folgen haben sollte. Die guten Leistungen im Verein blieben selbstverständlich auch vom Nationaltrainer Helmut Schön nicht ungesehen. Bereits 1971 debütierte Hoeneß in der Nationalmannschaft. Eine tolle Leistung gegen die Engländer im EM-Viertelfinale von 1972 brachte ihm einen weiteren Spitznamen ein: Diesmal titulierte ihn die Presse als Himmelsstürmer. Im Stile eines solchen verlief seine weitere Karriere. Es folgte der Europameistertitel 1972, mit der wohl besten deutschen Nationalelf aller Zeiten. 1974 gar der Triumph bei der Weltmeisterschaft  im eigenen Lande. Doch auch ein Himmelsstürmer gelangt irgendwann an einen Punkt, an dem es bergab geht - und damit ist nicht der Flugzeugabsturz von 1982 gemeint, den Uli Hoeneß wie durch ein Wunder, im Gegensatz zu den drei weiteren Insassen, überlebte. Für ihn war dies wohl das EM-Finale von 1976. Trotz der Rücktritte von Müller, Overath und Grabowski gelang der deutschen Elf der Einzug ins Finale. Nach einem 2:2 nach Verlängerung musste das Elfmeterschießen herhalten. Hoeneß aber semmelte seinen Elfmeter über das Tor, die Tschechoslowakei wurde Europameister. Noch im gleichen Jahr trat er nach 35 Länderspielen und 5 Toren aus der Nationalelf zurück. Auf Vereinsebene lief es Ende der Siebziger ebenfalls nicht mehr gut. Starspieler verließen die Bayern und Hoeneß litt unter seinem verlorenen Stammplatz unter Trainer Gyula Lorant. So ließ er sich zur Saison 1978/79 nach Nürnberg ausleihen. Sein einziger Seitensprung in seiner fußballerischen Karriere. Die anhaltenden Kniebeschwerden jedoch ließen ihn kein vernünftiges Spiel für die "Clubberer" bestreiten. Diese zwangen ihn kurz darauf zum Ende seiner Karriere.
"Es ist erstaunlich wie der Uli es versteht, aus allem ein Geschäft zu machen." - P. Breitner

Im Frühjahr '79 wechselte Hoeneß ins Management des FC Bayern. Die Münchner erwirtschafteten zu diesem Zeitpunkt zwölf Millionen Mark Umsatz und standen mit sieben Millionen in der Kreide - 30 Jahre später sollte der Club über ein prall gefülltes "Festgeldkonto" verfügen und einen Umsatz von über 350 Millionen Euro erreichen. Der Manager packte an, fädelte Sponsorendeals ein, handelte Merchandise-Verträge aus und holte Paul Breitner zurück. Zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge sollte er eine neue sportliche Ära prägen. Unter dem Funktionär Hoeneß wird der FC Bayern 16 deutsche Meisterschaften sammeln, nicht zu vergessen die sechs Pokalsiege und der Gewinn des UEFA-Pokals 1996. Das Ziel, den höchsten aller Vereinstitel, die Champions League, zu gewinnen, verlor Hoeneß nie aus den Augen. Die Bayern waren bereits drei Mal, 1982, 1987 und 1999 gescheitert, ehe sie endlich, 25 Jahre nach dem letzten Triumph, den Henkelpott auf dem Münchner Rathausbalkon präsentieren konnten. Somit fallen fast alle Titelgewinne des FC Bayern in die Schaffenszeit des gebürtigen Ulmers.
Auch außerhalb des Platzes sorgte Uli Hoeneß, nebenberuflich Wurstfabrikant mit über 150 000 verkauften Würstchen pro Tag, immer wieder für Schlagzeilen: Die "Abteilung Attacke" entstand und versorgte die Journalisten regelmäßig mit Schlagzeilen. Die Allianz-Arena im Stadtteil Fröttmanning, eines der modernsten Stadien der Welt, wurde errichtet. Geschichtsträchtig, wenn auch negativ, war der öffentlichen Disput mit Christoph Daum, zu welchem er sich hinreißen ließ und somit, ob gewollt oder nicht, Protagonist der sogenannten "Koks-Affäre" wurde.

"So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profi-Fußball nicht." - M. Scholl

Immer jedoch ist Uli Hoeneß Mensch geblieben. Gegenüber seinen Spielern verhielt er sich immer korrekt und loyal, teilweise freundschaftlich. Mehmet Scholl nennt ihn gar seinen "Ziehvater". Es werde sich kein Fußballer finden lassen, der etwas gegen Uli Hoeneß sagt, so Scholl, der früher beinahe mal bei Hoeneß eingezogen wäre. Sammy Kuffour bekam von Hoeneß eine teure Chartermaschine gestellt, um schnellstmöglich zu seinem verstorbenen Kind nach Ghana zu reisen. Als Der FC St. Pauli finanziell am Abgrund war, griff Hoeneß als "Retter" ein. Er stand zu Sebastian Deisler, als dieser sich wegen anhaltender Depressionen zu einem Karriereende entschloss.

"Ich bin immer ein harter Gesprächspartner. Aber die Jungs wissen, dass sie sich auf mich verlassen können." - U. Hoeneß

Als Frank Ribéry sich einer medialen Hetzkampagne ausgesetzt sah, war es "Uli 'Önes" der sich vor ihn stellte und ihn schützte. Doch auch fernab des Fußballs erwies sich der Manager als Herzensmensch. So setzte er sich nach dem sogenannten "S-Bahn-Mord", dem Mord an Dominik Brunner, für mehr Zivilcourage ein und hielt eine imposante Rede vor ausverkauftem Haus in der heimischen Arena. Er nannte Brunner ein "Vorbild für Zivilcourage und praktizierender Nächstenliebe". Kurz darauf übernahm er den Vorsitz des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung

Uli Hoeneß: Kaum ein Mann im deutschen Fußballgeschäft polarisiert so sehr wie er. Man mag ihm manchmal Größenwahn und Arroganz vorwerfen können, doch darf man nicht vergessen, dass dieser Mann nicht nur ein exzellenter Macher - der FC Bayern ist dank ihm sportlich wie finanziell in der Weltspitze vertreten -, sondern auch feiner Mensch ist. Ein Vorbild für jeden von uns wird am heutigen Donnerstag 60 Jahre. Herzlichen Glückwunsch!






Der FC Bayern-Chor mit Helmut Lotti, Verzeihung, Christian Nerlinger!

3 Kommentare:

  1. Ich habe im Laufe des heutigen Tages eine Menge Uli Hoeneß Berichte gelesen. Jedoch gefällt mir diese Zusammenfassung seines Schaffens - präzise und wortgewandt verfasst - mit Abstand am besten.
    Vielen Dank!

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  2. Sehr nett geschrieben, Uli ist wohl einer der guten. Alles gute zum Geburtstag, auf weitere 60 Jahre :)

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