Snake Skin Shoes

Snake Skin Shoes

Dienstag, 29. November 2011

HartzIV oder doch lieber was "Handfestes"?

Welcher Student der Geschichtswissenschaft hat diese Frage nicht schon einmal gehört: "Und, was willst du dann damit machen?" Besonders schlagfertige Kommilitonen geben zur Antwort, dass das Geschichtsstudium eine tolle Grundlage zum Ausfüllen der HartzIV-Unterlagen sei. Wer nicht einen solch schnäppischen Kommentar zum Besten geben möchte, kann, wie in diversen Tutoraten zum Handwerkszeug eines Historikers gelehrt, zitieren. Und zwar nicht irgendjemanden, sondern Josef Joffe, Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. Dieser schrieb vergangenen Donnerstag einen wunderbaren Artikel über den Vorteil vom Besitz historischer Kenntnisse. Man wisse über allgemeine Zusammenhänge besser Bescheid, etwa warum der Krieg in Afghanistan nicht funktioniere oder warum der arabische Frühling so spät zu Stande kam. Besonders wertvoll ist laut Joffe, der Wirtschaftswissenschaften, Politologie und Philosophie studierte, auch die Information, dass Talleyrand kein Sterne-Restaurant in Frankreich sei - wie von einigen Mitbürgern, ob bürgerlicher oder akademischer Herkunft, angenommen -, sondern ein französischer Staatsmann Ende des 18. Jahrhunderts. Erschreckend sei auch, dass Geschichte nur noch eine untergeordnete Rolle spielen soll, ihr drohe das gleiche Schicksal wie Latein und Griechisch. Dabei kann man ohne diese Wissenschaft doch nicht einmal die Zeitung lesen: Wer oder was ist eigentlich dieser "kleine Napoleon"? Ist das etwa der Kosename von Carla Bruni für ihren Ehegatten und französischen Staatspräsident Nicolas Sarkozy, welcher oftmals mit diesem Beinamen geschmückt wird? Wie soll man die Konflikte der Alteingesessenen gegen die Zuwanderer in Europa oder Amerika verstehen, wenn man ihre Historie nicht kennt? Wen Joffes wunderbare pointierte Ausführung nicht zu einem Studium der Geschichte, egal ob mit Schwerpunkt Altertum, Mittelalter, Neuzeit oder Neuere und Neueste, motiviert hat, sollte sich lieber etwas "Handfestes" suchen. Wie wäre es mit Wirtschaft oder Jura?

Die Antwort gibt der 67-jährige Autor selbst. Eine kleine Leseprobe:

Leider ist Geschichte das Gerüst, das Fachwissen von Erkenntnis unterscheidet. Weltwirtschaftskrise I und der »Tulpenwahn« des 17. Jahrhunderts lassen auch einen Ökonomen die gegenwärtige Misere besser verstehen. Das sei nicht karrierefördernd? Doch! Wer Geschichte lernt, kann recherchieren, analysieren und die Spreu vom Weizen trennen. Wer tausend Einzelheiten verständlich zusammenführen kann, wird weiter kommen als einer, der bloß PowerPoint und Excel beherrscht. Warum klagen Personalchefs zwischen Wuppertal und Washington, dass den Jungen solche Fertigkeiten fehlen?

aus: Die Zeit, Ausgabe vom 24.11.2011, Nummer 48.

Sonntag, 20. November 2011

Dem Druck erlegen

In den letzten Wochen wurde der Druck auf die Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga wieder immens: Die Presse prügelte auf sie ein und attestierte ihnen ein unterirdisches Zwischenzeugnis. Doch nicht nur die Medien üben sich Woche für Woche in Attacken gegen die Männer in Schwarz, auch von den Rängen hagelt es Kritik - und meist fällt diese um Längen härter aus, als die auf bedrucktem Papier: "Du blinde Sau", "Schieber" und "Schiri, du Arschloch" sind die nettesten Parolen der unzufriedenen Anhänger. Hinzu kommen "Fans" die ihre Wut nicht nur verbal äußern, sondern Bierbecher, Feuerzeuge oder Münzen auf die Unparteiischen feuern. Robin Dutt, mittlerweile Trainer in Diensten Leverkusens, stellte vergangene Saison einmal fest, dass "der Schiedsrichter dem Druck des Publikums" erlegen sei. Insgesamt setzen sich 78 486 Schiedsrichter von der  Kreisklasse bis zur Bundesliga, Spieltag für Spieltag diesem Spießrutenlauf aus, um uns Zuschauern ein Spiel zu ermöglichen; es nach Möglichkeit fair und unparteiisch zu leiten. Das dies nicht immer gelingt, sei dahingestellt. Auch falsche Entscheidungen gehören nunmal zum Spiel, sind menschlich und passieren nunmal. Manche trennen Privates vom Beruflichen, setzen sich nach erledigtem Job in eine Kneipe und trinken ihr Feierabendbier. Andere wiederum nehmen die Beleidigungen von den Rängen mit nach Hause. Fehlentscheidungen, verfolgen sie in ihren Träumen. Vielleicht ist es das, was Babak Rafati, Bundesliga- und FIFA-Referee, am gestrigen Samstag dazu veranlasste, sein Leben zu beenden. Vor der Partie des 1.FC Köln gegen Mainz 05 begang der 41-Jährige einen Selbsttötungsversuch. Nur seinen Assistenten, welche das Hotel mit ihm teilten, ist es zu verdanken, dass er überlebte. Seit dem Jahr 2000 leitet Rafati Spiele der 2., ab 2005 dann auch der 1. Bundesliga. 2008 stieg er gar in die Elite auf und wurde FIFA-Referee. War es wirklich der oben erwähnte Druck? Ist es der Steuerskandal, in den so mancher Schiedsrichter verwickelt sein soll? Spekulationen über Spekulationen. Von einem Erschöpfungssyndrom dagegen ist, laut Rafatis Vater, nicht auszugehen. Er sei glücklich gewesen, es hätte keinerlei Anzeichen für den Suizidversuch gegeben. Spieler, Trainer und Funktionäre der Bundesliga reagierten auf diesen Vorfall geschockt.

Der gestrige Tag lässt die Diskussionen um den Druck im Profi-Fußball neu entflammen. Ist dieser für "Normalsterbliche" überhaupt noch auszuhalten? DFL-Präsident Reinhard Rauball äußerte sich gegen ein unmenschliches Abdriften des deutschen Fußballs. Es gäbe "viele andere, die in der Bundesliga mit dem Druck klarkommen". Man könne nun "nicht den ganzen Fußball in Frage stellen", so Rauball bei spox.com. Jedoch häufen sich in letzter Zeit die Bekenntnisse von Funktionären und Spielern, an einem Burn-Out gelitten zu haben oder zu leiden. So zog sich beispielsweise Anfang der Saison aus diesen Gründen Ralf Rangnick vom Traineramt des FC Schalke 04 zurück. Depressionen und zu hoher Druck waren auch die Gründe für den Selbstmord unseres früheren Nationaltorhüters Robert Enke. Er hatte sich im November 2009 dazu entschlossen, aus dem Leben zu treten. Dieses schreckliche und tragische Ereignis ließ manche über den Stellenwert des Fußballs nachdenken. Man sah ein, das die Gesundheit oder das Private wichtigere Dinge sind, als das allwöchentliche Spielen auf dem Platz. Enke wurde zum Sinnbild dieser wichtigen Diskussion. Die resultierende Erkenntnis daraus hallte, wie dieser 19. November 2011 allerdings zeigt, nicht lange nach. Sonst hätte das Spiel der Kölner gegen die Mainzer mit Babak Rafati als leitende Person angepfiffen werden können.

Mittwoch, 16. November 2011

Viele Gesichter, eine Person (2)


In unregelmäßigen Abständen soll in dieser kleinen Serie die Vielfalt des Gesichts, der Mimik und Emotion, gezeigt werden. Egal ob lächelnd, grimassenschneidend oder einfach nur verrückt: Die 26 Gesichtsmuskeln sollen ganze Arbeit leisten. Heute: Clemens, Student der Geschichts- und Islamwissenschaft, 23 Jahre.

Montag, 14. November 2011

500x Krisen, Krisen und nochmal Krisen


Der 'Polit-Talk-Stern' unserer Medienlandschaft wird 500: Am 17. November feiert Maybrit Illner mit ihrer gleichnamigen Sendung einen runden Geburtstag. 1999 noch mit dem Namen Berlin Mitte auf Sendung gegangen, diskutierte die Journalistin fortan mit allen Größen aus der Politik und Wirtschaft, angefangen von Angela Merkel bis hin zu Josef Ackermann. Maybrit Illner wurde 1965 in Ost-Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte sie Journalistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Das ehemalige Mitglied der SED arbeitete zunächst als Sportjournalistin, widmete sich nach der Wende 1989 aber vermehrt dem Kulturjournalismus zu. Zum Ressort Politik gelangte sie 1992 mit dem Wechsel zum ZDF. Hier moderierte Illner zunächst das Morgenmagazin, dann frontal und später die Sendung Berlin Mitte, welche seit 2007 nach ihr benannt ist. Für ihre Arbeit wurde die 46-Jährige unter anderem mit dem Bayrischen Fernsehpreis und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Der Gesprächsstoff wird ihr bei den unzähligen Ereignissen - und vorallem Krisen -,  in der politischen Welt vermutlich nie ausgehen: Wir freuen uns auf weitere, mindestens 500 Sendungen, egal auf welchem Sendeplatz und egal ob das Thema nun "Durchbruch in Brüssel: Ist der Euro jetzt gerettet?" oder "Sind wir nicht mehr Papst?" heißt. Herzlichen Glückwunsch, Maybrit Illner!

Sprücheklopferparade (1): Giovanni Trapattoni

Er füllte schon die Vitrinen von Bayern München, Inter Mailand und Juventus Turin mit Pokalen, doch immer wieder füttert diese rhetorische Lichtgestalt auch die Blöcke der Journalisten auf Pressekonferenzen mit herrlichen Lebensweisheiten: der italienische Fußballtrainer Giovanni Trapattoni. Kaum jemand kennt seine Kritik an die Bayernspieler 1997 nicht, in welcher der 72-Jährige die Mannschaftsleistung als "Flasche leer" bezeichnete. Nicht zu vergessen: das legendäre "Struuuuuntz!". Nach dem Spiel seiner Iren in der EM-Qualifikation, ließ il Maestro, im wahrsten Sinne des Wortes, aber endgültig die Katze aus dem Sack:

"Be careful with the cat. Don't say, that you have the cat in the sack, when you don't have the cat in the sack."



Mittwoch, 2. November 2011

Fuchsjagd mit Leberwursttaktik

Vor 44 Jahren, genauer gesagt am 2. Juni 1967, kam es in West-Berlin zu einem Ereignis, welches als Zäsur der bis dahin friedlichen Protestbewegung der Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eingehen sollte: Die außer Kontrolle geratenen Proteste gegen den Besuch des Schahs von Persien Mohammad Reza Schah Pahlavi samt Gattin Farah Pahlavi, welcher bereits im Vorfeld, aufgrund  der politischen Unterdrückung und Verfolgung der Opposition im Landesinneren des Irans, kritisch beäugt wurde. Worte, politische Parolen und Schmähgesänge hagelte es gegen die Anhänger des Schahs. Es flogen Eier und Mehltüten. Die Antwort der sogenannten "Prügelperser", seiner Schutzpolizei, war von Aggressivität geprägt: Sie droschen auf Demonstranten ein, die Polizei unterband dies nicht. Stattdessen malträtierte diese ebenfalls das protestierende Volk. Die Operation "Fuchsjagd" war in vollem Gange: Zivilgekleidete Polizisten sollten sich auf die Jagd nach Demonstranten machen und ihre Protestaktionen unterbinden.

"Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hineinstechen, damit sie am Ende auseinander platzt."

Neben der tierischen, gab es auch die kulinarische Anweisung: Die "Leberwursttaktik" sah vor, in der Mitte gewalttätig einzugreifen, um die Menge über die Rändern auseinander zu treiben. Mit diesen Instruktionen im Kopf, machte sich auch Polizist Karl-Heinz Kurras auf den Weg. Seine Interpretation dieses Kommandos beinhaltete Hiebe mit dem Schlagstock, Einsatz von Tränengas und einen Schuss: Dem Schuss aus seiner - angeblich gesicherten -, Waffe, um 20.30 Uhr, gegen den friedlich protestierenden Benno Ohnesorg. Dieser konnte weder von der herbeieilenden Zeugin Friederike Dollinger noch von den Sanitätern gerettet werden. Ohnesorg starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus - angeblich an einem Schädelbruch. Jedoch ist sicher, dass an der Leiche des Studenten operiert wurde, um die Ursache "Tod durch Kopfschuss" zu vertuschen. Die Stelle des Schädels wurde herausgesägt und gilt seit jeher als verschwunden.

"Bist du denn wahnsinnig hier zu schießen? - Die ist mir losgegangen."

Kurras wurde der Prozess gemacht. Jedoch sprach man ihn aus Mangel an Beweisen 1971 frei. Er selbst berief sich auf "Notwehr". Gegen welche Tat er sich wehren musste? - man weiß es nicht. 2009 wurde gegen ihn erneut ein Verfahren aufgenommen. Seine Stasi-Tätigkeit wurde bekannt; es sollte untersucht werden, ob er nicht von den Offiziellen Ost-Berlins angestiftet wurde, einen Studenten umzubringen. Am heutigen Mittwoch wurde das Ermittlungsverfahren gegen den heute 83-Jährigen wegen des Schusses an Benno Ohnesorg eingestellt. Kurras hätte wohl damals nicht gedacht, dass ihm diese Leberwurst nach so langer Zeit, noch so schwer im Magen liegen würde.

Dienstag, 1. November 2011

Viele Gesichter, eine Person (1)


In unregelmäßigen Abständen soll in dieser kleinen Serie die Vielfalt des Gesichts, der Mimik und Emotion, gezeigt werden. Egal ob lächelnd, grimassenschneidend oder einfach nur verrückt: Die 26 Gesichtsmuskeln sollen ganze Arbeit leisten. Heute: Simon, Geschichts- und Französischstudent, 24 Jahre.