Snake Skin Shoes

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Dienstag, 31. Januar 2012

Zwischen Bajonett und Querflöte

300 Jahre wäre er nun alt: Doch ist es momentan so, als wäre er noch unter uns. Kaum ein Medium - egal ob Presse, TV oder Radio -, hat sich der Aufarbeitung des "Mythos Friedrich" entzogen. Von überall grüßt er bunt gekleidet und verträumt dreinblickend. Das sogenannte "Friedrich-Jahr" nimmt beinahe heilige Züge an. Warum erfreut sich Friedrich II. solch einer großen Beliebtheit? Etwa wegen seiner Qualitäten als Feldherr und der damit suggerierten preußischen Disziplin, dem unbändigen Willen? Er führte die Preußen auf dem Schlachtfeld an, in den Schlesischen Kriegen beispielsweise oder dem Siebenjährigen Krieg. Der Nimbus des Unbesiegbaren haftete an ihm, zumindest bis zur katastrophalen Niederlage in der Schlacht bei Kunersdorf 1759 gegen die russisch-österreichischen Gegner. Oder ist es gerade das nicht? Eher seine musische und literarische Ader? Sein Interesse für Literatur, seine regen Briefwechsel mit Voltaire oder doch eher seine unglaubliche Liebe zum Flötenspiel? Eigenschaften, die ihn schlicht und ergreifend anders als die anderen Feldherren vor (und auch nach) ihm machten. Vielleicht eine Mischung aus beidem: Willen und Flötenspiel. Eine Anekdote aus seiner Jugend, die diese beiden Begriffe zusammenbringt: Als Jüngling wollte er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen und eben jene Querflöte spielen. Sein Vater aber, ein Mann bis zur Schädeldecke mit preußisch-militanten Denken gefüllt, verbot ihm diese unmännliche Tätigkeit. Er solle sich lieber an den Waffen üben. Der junge Friedrich wollte nach Frankreich türmen. Hier, im Lande der aufgeklärten Philosophen und musischen Freigeistern, hoffte er auf ein Aufeinandertreffen mit Gleichgesinnten. Sollten sie sich auch hier nicht finden lassen, könnte er immer noch weiter gen England ziehen. Dieser Weg wäre allemal kürzer als der von Preußen aus. Gemeinsam mit Kumpel Katte sollte es eines Nachts losgehen. Doch bevor die ersten Schritte in die Freiheit gemacht werden konnten, erkannte Vater Friedrich Wilhelm den Fluchtversuch. Er ließ Katte festnehmen und sorgte persönlich für seine Hinrichtung - vor den Augen des jungen Friedrich.
Der schöngeistige Esprit des preußischen Königs hallte, auch aufgrund dieser Geschichte, auf verschiedenster Weise durch die Jahrhunderte bis heute. Wurde er Ende des 19. Jahrhunderts noch als Vorreiter des "Deutschen Dualismus" diffamiert, stilisierten ihn Politiker und Aristokraten des frühen 20. Jahrhunderts zum Wegbereiter des protestantischen Deutschlands. Auch die Nationalsozialisten sprangen auf den "Friedrich-Zug" auf und machten plump aus ihm den "ersten Nationalsozialisten". Die charismatische Art des "Alten Fritz" infizierte, damals wie heute, Menschen jeglicher poltischen Gesinnung und kultureller Couleur. Friedrich II. starb zwar bereits 1786 - in einem Sessel auf Schloss Sanssouci -, doch der Mythos lebt weiter. Alles Gute zum 300.!

Sonntag, 29. Januar 2012

Linkwink: Kleine Fächer im Fokus

Egal ob Finnougristik-Uralistik, Koptologie oder Lusitanistik: So manche Fächer sind nur wahren Insidern bekannt. Damit sich dies ändert und sich wirklich jeder in Nischenfächer geistig austoben kann, hat es sich die Potsdamer Arbeitsstelle Kleine Fächer zur Aufgabe gemacht, über solche Kleinstfächer zu informieren. Sie berichtet seit 2005 über Standorte, Fachbereiche, die Entwicklung der Professuren und Studiengangbeteiligung, d.h. ob ein Bachelor ebenso angeboten wird, wie ein Master. Ein tolle Seite, die im Wirrwarr der Studiengangsuche einen guten Überblick schafft!

http://kleinefaecher.de/index.html

Freitag, 27. Januar 2012

Fitnesstraining im Dschungelcamp

Die Frankfurter Eintracht ist auf Stürmersuche. Nach dem Abgang von Theofanis Gekas benötigen die Hessen dringend einen neuen Knipser, um das Ziel des direkten Wiederaufstiegs zu erreichen. Namen wie Aristide Bancé oder Patrick Helmes geistern durch die Gazetten. Nun bringt sich aber ein ganz anderer ins Spiel, nämlich Ailton! Der "Kugelblitz", früher für Werder Bremen sowie den FC Schalke unterwegs und seit kurzem ehemaliges Mitglied des unglaublich gruseligen Reality-Y-Promi-Formats Ich bin ein Star, holt mich hier raus!, liebäugelt mit einer Rückkehr ins Profigeschäft und biedert sich nun bei der SGE an. Er habe im Dschungel Australiens drei bis vier Kilo verloren und würde seine alten Fitnesswerte in zwei Wochen wieder erreichen. Ob diese tatsächlich für eine Partie auf dem grünen Rasen genügen oder wohl doch eher für 90 Minuten intensivem Schmusen in einer Hängematte mit einem Erotikmodel in Frage kommen, ist unklar. Vermutlich sorgten Maden, Känguruhoden und Schleimportionen nicht nur für steigende Eiweiß- und Proteinwerte, sondern auch für Realitätsverlust beim früheren Bundesliga-Torschützenkönig. Ob Trainer Armin Veh auf das Angebot des 38-Jährigen eingeht? Eher nein. Wenn aber doch, dann höchstens, um auf der Position des Maskottchens den Konkurrenzkampf anzuheizen, wo Adler "Attila" einsam seine Kreise zieht, und nicht auf der des Mittelstürmers. Eine Rolle im Team, die, nicht nur aufgrund der körperlichen Anforderungen, wie für Ailton geschaffen wäre - ganz realistisch gesehen.

Dienstag, 24. Januar 2012

Uniform-individualistisches Anspruchsdenken

Zielgerichtet studieren, am besten unter der Regelstudienzeit. Den Weg einmal verlassen und zusätzliches Wissen anhäufen? Auf keinen Fall. Im Gegenteil: Man soll sich an dem in Bologna geschaffenen Ideallerner orientieren. Dieser hat schon ein Praktikum bevor er überhaupt seine Bachelorarbeit angemeldet hat. Danach einen sicheren Masterplatz. Die Promotion ist geplant, die Juniorprofessur angestrebt und die Habilitation sowieso nur noch eine Frage der Zeit. Mit welcher Note abgeschlossen wird ist klar: 1,0, dann summa cum laude, später venia legendi. Wer diesen Plan nicht besitzt, ist außen vor, hat keine Chancen auf einen gutbezahlten Job. So wird es uns Studenten momentan geradezu suggeriert. Der Druck im Studium nimmt gerade deshalb vermehrt zu. Dies zeigt eine kürzlich vorgelegte Studie der Universität Konstanz. Immer mehr Studierende würden an Depressionen erkranken. Sie hielten den Druck einfach nicht mehr aus. Dieser entstehe durch Betrachtung des in der Gesellschaft vorgegebenen Idealtypus, durch Vergleiche im Freundeskreis, durch den eigenen Anspruch. Seit 2004 die Bologna-Reform griff, die Studiengänge modularisiert und "verschult" wurden, ging jegliche Individualität des Studierens verloren. Doch auch die Individualität im eigenen Kopf war dahin. Statt sich selbst sein Studium zu kreieren, sitzt man peu à peu die vorgegebenen Seminare und Vorlesungen ab. Daten sowie Definitionen reinfressen und für die Klausur, Entschuldigung, auskotzen. Vertiefende Wissensaneignung ade. Man ist nur noch Teil des nach Bestnoten strebenden Einheitsbrei. In seiner gewählten Fachrichtung glänzen? Bei der Masse an notorischen Auswendiglernern kaum möglich. Was übrig bleibt? Selbst auswendig lernen und sich fügen - oder: Studieren nach eigenem Geschmack. Akzeptieren, dass man einige Semester dranhängt, vielleicht bereits 27 ist, wenn man in die Berufswelt gelangt und eben nicht 23 Jahre. Und sich, zur Vorbeugung etwaiger depressiver Anfälle, mal die Frage stellen: Was ist eigentlich mein Anspruch?

Jeder von Burn-Out und Leistungsdruck malträtierte Kommilitone sollte sich, statt dem "Elitegefasel", lieber die 1977 von der britischen Band Fleetwood Mac veröffentlichte Single "Go your own Way" anhören. Besonders der Refrain eignet sich wunderbar als musikalische Untermalung für den Weg in das Berufsleben:


                                  


Samstag, 21. Januar 2012

Der Pukki-Effekt

Europa League-Qualifikation der laufenden Saison. Schalke 04 bekam es mit einem, auf den ersten Blick, leichten Gegner zu tun: HJK Helsinki. Ein blonder Jüngling aber bereitete den "Knappen" enorme Schwierigkeiten und schoss die Rangnick-Truppe beinahe aus dem Wettbewerb, bevor dieser überhaupt richtig begonnen hatte. Drei Wochen später landete jener wundersame Rechtsfuß auf der Transferliste der DFL, genauer im grauen Gelsenkirchen, auf dem Trainingsplatz der Schalker.
Teemu Pukki, 21 Jahre alt, ist wohl das extremste Beispiel, die eine sich bietende Chance zu nutzen, um die Fußballperipherie zu verlassen und groß rauszukommen. Vorher nur echten Fußballfachmännern bekannt, reichten ihm hier für gerade einmal zwei Auftritte auf der europäischen Fußballbühne. Blickt man in die Historie, entdeckt man weitere Transfers, die diesem Schema zugeteilt werden können. Eine auffällig gute Leistung in einem, maximal zwei K.O.-Spielen und im Handumdrehen zieht sich der brillierende Akteur das Jersey des Teams an, gegen welches er gerade noch anrannte und Tore schoss. Nicht die dauerhafte Verrichtung auf dem Platz entschied, sondern das kurzfristige Auftrumpfen. Folglich ist ein Effekt geboren, für den Teemu Pukki fortan als Namensgeber fungieren soll: der Pukki-Effekt. Um dieser These weiter Futter zu geben, werden im Folgenden zwei weitere exemplarische Transfers aufgeführt. Bereits vor dem finnischen Außenstürmer gab es nämlich Spielerwechsel, die wohl so einige Scouts im Vorfeld nicht für möglich hielten, schlicht und ergreifend, weil sich der Akteur nicht in ihrem Notizblock finden ließ. So geschehen bei Roy Makaay im Jahr 2002. Seine grandiose Leistung in den beiden Champions League-Vorrundenspielen mit Deportivo La Coruna gegen den FC Bayern veranlasste Manager Uli Hoeneß, die Geldschatulle zu öffnen und den Holländer 2003 für 18,75 Millionen Euro nach München zu lotsen. Makaay schlug ein: Das "Phantom" erzielte für die Bayern in 129 Spielen 78 Tore und gilt heute noch als einer der besten Stürmer der Vereinsgeschichte. Ob es zu diesem Transfer gekommen wäre, wenn er nicht für das Vorrunden-Aus der Münchner im Wettbewerb gesorgt hätte? Ein Interesse an Makaay vor jenen Spielen war nicht bekannt. Stattdessen geisterten die Namen Kluivert und van Nistelrooy durch münchnerische Gazetten. Für die bescheidene Ablösesumme von 1,2 Millionen Euro wechselte 2007 Jan Schlaudraff die Farben. Wahrscheinlich wäre dieser Wechsel nie realisiert worden, wenn Schlaudraff nicht für das Ausscheiden im DFB-Pokal im Dezember 2006 gesorgt hätte. In diesem Spiel machte er mit wunderbaren Dribblings, feinen Pässen und einem sehenswerten Tor auf sich aufmerksam. Die Saison verlief gut, doch war ein Wechsel zu Werder Bremen oder einem anderen Team, welches um die UEFA-Cup-Plätze spielte, wahrscheinlicher. Kaum einer hätte auf einen Wechsel nach München getippt. Eine Rückenverletzung erschwerte zwar den Einstand des aktuell für Hannover 96 auflaufenden Stürmers, doch bekam er auch nie eine richtige Chance sich zu beweisen. Nach nur einer Saison wurde er weitergereicht und verschwand vorerst in der Versenkung. Das Attribut "Fehleinkauf" sollte Schlaudraff erst in der Saison 2010/11 wieder loswerden.
Nicht die Kontinuität ist also von Bedeutung, sondern der eine große Moment, das einmalige große Auftrumpfen, wie diese beiden Beispiele verdeutlichen. Nicht immer ist ein solcher Wechsel erfolgsversprechend: Unser Namensgeber rangiert im Mittelfeld der imaginären Leistungstabelle, er muss sich erst noch beweisen. Seine bisherigen Spiele  AufSchalke waren jedoch vielversprechend. So erzielte der Finne in acht Ligaspielen drei Tore und legte eines auf. Das Beispiel Makaay grüßt von der Pukki-Effekt-Tabellenspitze, während sich Schlaudraff in den Tabellenniederrungen wiederfindet. Die Theorie des Pukki-Effekts wirft allerdings weiterführende Fragen auf: Wie kommt ein solcher Transfer bei den Fans an? Ist er gegenüber der Ultraszene überhaupt tragbar? Erst angefeindet, da er die Lieblingsmannschaft schlimmstenfalls aus dem Turnier schoss, und plötzlich Liebling der Massen? Die Geschehnisse um Manuel Neuer vor seinem Wechsel in die bajuwarische Metropole zeigen, dass man sich durchaus mit solchen Denkspielen beschäftigen muss. Abschließend gilt festzustellen, dass der Pukki-Effekt die fachliche Inkompetenz der Scouts oder der Managerriege, welche für Transfers verantwortlich sind, gnadenlos ans Licht bringt. Denn selbst die einfachsten Kneipengucker werden nach dem glorreichen Auftritt eines Kickers der gegnerischen Mannschaft feststellen, dass dieser sich in den eigenen Reihen mindestens genauso gut machen würde. Besonders, wenn das "eine große Spiel" gegen die eigene Elf gelang.

Freitag, 20. Januar 2012

Von springenden Füchsen und faulen Hunden

Mit sogenannten Checks, einer technischen Prüfmeldung, vergewisserte sich Anfang der 1920er Jahre die amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press, kurz AP, ob sämtliche Buchstabenhebel in Ordnung seien. Diese Hebel wurden benötigt, um Nachrichten an Zeitungen und Radiostationen zu übermitteln. Als Testmeldung, welche alle Buchstaben des Alphabets sowie alle Zahlen beinhalten musste, diente der grandiose Satz:
"The quick brown fox jumps over the lazy dog 1234567890".
Nicht auszumalen was passiert wäre, wenn ein Hebel nicht mehr korrekt funktioniert hätte. Ein somit entstandenes Missverständnis hätte in den nachkriegsgeprägten Zeiten leicht für Konfliktstoff sorgen können. Interessant wäre jedoch zu wissen, wie viele verwirrte Journalisten wiederholt diese Meldung als Nachricht in ihr Blatt nahmen, ohne sich zu wundern, warum schon wieder darüber berichtet werden muss, dass ein Fuchs über einen Hund gesprungen sei.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Referate? Nein, danke!

Mal wieder ein Referat. Das Blatt Papier, versehen mit dem geklauten Text von Wikipedia, wird von Kommilitone X runtergerattert. Manch einer meint, er spreche frei, liest aber in Wahrheit nur von der Power-Point-Präsentation ab. Eine monotone Stimmhaltung, schlimmstenfalls über eine Stunde lang. Unzählige Fakten, zusammenhangslose Ereignisse im Überfluss: der Over-Kill. Ausgeschmückt wird das ganze mit Fremdwörtern an Stellen, die einer leichteren Formulierung bedurften und mehr verwirren als Klarheit schaffen. Blankes Entsetzen macht sich breit, wenn angekündigt wird, dass ein Seminar nur auf Referaten basiert. Welchen Nutzen haben die zwei Stunden für die man sich gen Campus begibt? Die Zeit hätte man sinnvoller woanders verbringen können. Egal wo, ob in der Mensa oder beim Warten vor einer Sprechstunde: Überall wäre sie besser angelegt gewesen. Überlebt man die Tortur dann doch, kommt meist Freude auf. Juhu, der schier endlose Monolog ist rum - endlich. Im Anschluss kommt es meist zu keiner Diskussion. Upps, der Referent hat die Thesen vergessen, die im Plenum besprochen werden sollten. Ein Handout? Fehlanzeige. Sollte dann doch mal eine seltene Frage zum Inhalt des Referats gestellt werden, bekommt man womöglich die grandiose Antwort: "Mmh, mmh, also wenn ihr noch weitere Fragen habt, also, mmh, eigentlich kann ich die euch auch gar nicht beantworten". Uni kann so grausam sein. Warum nicht lieber Frontalunterricht vom Prof mit anschließender Diskussion im Plenum? Dazu eine Hausarbeit, Essays, Exposés sowie Protokolle als "Bedingungen für den Scheinerwerb" und alle wären zufrieden. Keine peinlichen und zeitverschwendenen Situationen und somit keine nichtssagenden Referate mehr. Obwohl: Vielleicht sollte man gerade darüber ein Referat halten? Vermutlich wäre dies der einzige Vortrag, bei dem die Studierenden mal nicht auf Durchzug stellen würden.

Montag, 16. Januar 2012

2011 ist Geschichte

Das Jahr 2011 ist nun seit mittlerweile 16 Tagen Vergangenheit. Es brachte uns einiges: MTV wurde zum Bezahlfernsehen. Terroranschläge mit vielen Toten, etwa in Russland, Iran, Irak, Pakistan und Ägypten. Der Arabische Frühling stürzt Despoten in der arabischen Welt und die "Plagiatsaffäre" KT zu Guttenberg. Dieser schaffte vorher die unsägliche Wehrpflicht ab. Ein Erdbeben sorgt in japanischen Kernkraftwerk Fukushima für eine Serie von Unfällen. Debatten über die Atomkraft kommen in Gang: Ausstiege werden angekündigt aund beschlossen. Die NATO interveniert in Libyen. Anders Breivik tötet 68 Menschen in einem Jugendcamp auf einer norwegischen Insel und wird vorerst für unzurechnungsfähig erklärt. In Baden-Württemberg stimmt das Volk über Stuttgart 21 ab. Erdbeben, Tornados und Überschwemmungen fordern tausende Menschenleben. Frankreich wird Handballweltmeister, Borussia Dortmund deutscher Fußballmeister, Barcelona gewinnt die Champions League und die Frauen-Nationalmannschaft scheidet bei der WM im eigenen Lande im Viertelfinale aus. Die Herren dagegen qualifizieren sich ohne Punktverlust für die Europameisterschaft. Dirk Nowitzki und seine Dallas Mavericks werden NBA-Champion. Zensus in Deutschland. Kate Middleton und Prinz William geben sich das Ja-Wort. Thomas Gottschalk tritt als Wetten, dass...?-Moderator ab. Der Papst besucht Deutschland. Die FDP verschwindet beinahe in der Versenkung, dafür entern die Piraten Berlin. Das Amt des Bundespräsidenten verliert, dank Christan Wulff, an Bedeutung und und und...

Der Maya-Kalender behielt glücklicherweise nicht recht, wobei die Anhänger des Endzeitszenarios sich selbst nicht einig sind, wann nun die Welt ein Ende nimmt. Am 31. Dezember 2011, also zum Jahreswechsel, oder doch am 21. Dezember 2012? Da Silvester 2011 nichts passiert ist, werden sich  wohl die meisten auf das zweite Datum berufen. Nun denn, die Welt existiert noch. Ereignisse stehen oder kündigen sich an, etwa die Fußball-EM, bei welcher wir als Mitfavorit ins Turnier gehen, die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt oder in der Politik: Schmeißt Wulff hin? Löst sich die FDP bald in ihre Einzelteile auf? Was könnte dieses neue Jahr, das zweitausendzwölfte nach Jesus Christus, für Geschehnisse bringen, über die wir dann 2013 rückblickend sprechen? Wie sagte Willy Brandt so schön:
"Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten."
Nehmen wir ihn beim Wort!

Sonntag, 15. Januar 2012

Lichtspielhausspezialitäten: Der Gott des Gemetzels

Ein Film, welcher im Grunde nur in einem Raum spielt und das auch noch mit nur vier Darstellern. Kann das gut gehen? Es kann! Der Streifen "Der Gott des Gemetzels", von Roman Polanski gedreht und im Jahr 2011 auf die Kinogänger losgelassen, überzeugt durchweg. Die Story ist kurzweilig, kein Wunder bei knapp 80 Minuten Laufzeit, aber dennoch voller unterhaltsamer Elemente. Einem Jungen werden im Park die Zähne ausgeschlagen. Seine Eltern, von Jodie Foster und John C. Reilly gespielt, behaaren nun auf ein Gespräch mit Mutter (Kate Winslet) und Vater (Christoph Waltz) des "Täters". Vor allem Foster als hysterische Frau mit einer Affinität zu Afrika und Waltz, als unheimlich wichtiger Geschäftsmann - der sein Smartphone wohl mehr liebt, als seine Frau -, brillieren. Begonnen mit einigen oberflächlichen Gesprächen über das Geschehen in der Welt und Birne-Apfelkuchen, endet das angedachte Schlichtungsgespräch in einem Streit mit grotesken Vorurteilen und Hasstiraden. Die Story wurde bereits 2006 in Form eines Theaterstück von Yasmina Reza umgesetzt und gehört zu den erfolgreichsten Stücken der letzten Jahrzehnte. Alles in allem ein Film, der einen phasenweise zwar etwas verrückt macht, für den sich ein Kinobesuch aber lohnt - und wenn er nur der Feststellung dient, dass man nicht ganz so verrückt ist, wie die Protagonisten.

Samstag, 14. Januar 2012

Linkwink: Geschichte meets Facebook

Egal ob der Neue Pauly, die Monumenta Germaniae Historica oder die Oldenbourg-Reihe: Sie alle können ab sofort abdanken. Niemand wird sich ihrer wieder annehmen, denn fortan wird sich Geschichtswissen in Facebook-Manier angeeignet. Dies hört sich etwa so an: Das Universum sendet dem Urknall eine Freundschaftseinladung, Kleopatra ändert ihren Beziehungsstatus auf "verheiratet", Martin Luther teilt 1517 den Link "Die 92 Thesen", was der Katholischen Kirche so gar nicht gefällt, Nazi-Deutschland erklärt 1939 Frankreich per Pinnwandeintrag den Krieg und Osama Bin Ladens Account wird 2011 still gelegt. Ein unterhaltsamer, gut zweistündiger Ritt durch die Historie. Bleibt nur zu hoffen, dass sich diese Art nicht durchsetzt!

http://www.collegehumor.com/facebook-history

Donnerstag, 12. Januar 2012

Viele Gesichter, eine Person (5)


In unregelmäßigen Abständen soll in dieser kleinen Serie die Vielfalt des Gesichts, der Mimik und Emotion, gezeigt werden. Egal ob lächelnd, grimassenschneidend oder einfach nur verrückt: Die 26 Gesichtsmuskeln sollen ganze Arbeit leisten. Heute: Sophie, Studentin der Neueren und Neuesten Geschichte und Skandinavistik, 21 Jahre.

Mittwoch, 11. Januar 2012

Titi's traumhafte Rückkehr

Weder die Gebrüder Grimm noch ein Geschichtenschreiber aus dem Morgenland hätte das Märchen besser zu Papier bringen können, welches sich vergangene Woche beim Spiel Arsenal London gegen Leeds United ereignete: Thierry Henry, Kanonier durch und durch, trifft bei seiner Rückkehr zum entscheidenen 1:0. Doch der Reihe nach. Henry, 1977 in einem Pariser Vorort geboren, bekam die Kickschuhe schon über die Füsschen gestülpt, bevor er überhaupt richtig laufen konnte. Seine Eltern taten alles daran, aus Thierry einen Profifußballer zu machen. 1994 das ersehnte Debüt in der französischen Profiliga beim AS Monaco unter Trainer Arsené Wenger, fünf Jahre später der Transfer zu Juventus Turin. Hier durchlebte "Titi", wie sein Spitzname lautet, eine kurze, aber unglückliche Phase seiner Karriere. Nie richtig im Delle Alpi angekommen und teilweise gar als rechter Verteidiger unterwegs, floh er zu Arsenal London, wo ein alter Bekannter die Geschicke leitete: der Elsäßer Arsené Wenger. Das kongeniale Duo Henry und Wenger sollte die nächsten acht Jahre zu den erfolgreichsten der Arsenal-Historie werden lassen. Es folgten Meisterschaften, Pokalsiege, Champions League-Finale, der Welt- und Europameistertitel. Arsenal, Wenger und Henry: diese Liebe schien unendlich. Im Jahr 2007 entschloss sich der unter Journalisten unglaublich beliebte Henry aber dann doch den Verein zu verlassen. Er suchte, mit seinen mittlerweile 30 Jahren, eine neue Herausforderung und fand sie beim FC Barcelona. Hier gelang es ihm die Titel einzuholen, die ihm mit Arsenal verwehrt blieben, etwa den Henkelpott oder die Klub-WM-Trophäe. Trainer Pep Guardiola ist dafür bekannt, jedes Jahr neue Reize in seiner Mannschaft zu setzen, besonders auf der Stürmerposition. So fiel auch Henry dieser Denkweise zum Opfer und wechselte zum Energiegetränk-Giganten nach New York. Da die amerikanische Liga einen anderen Spielplan pflegt und Henry davon träumte, noch einmal in seinem Leben ein Tor im Emirates-Stadium zu erzielen - vor welchem übrigens eine bronzerne Statue unseres französischen Protagonisten steht -, kam es zu diesem wunderbaren Comeback.
Mit Tränen in den Augen fieberte er seiner Einwechslung entgegen. Getragen von den Liebesbekenntnissen und Anfeuerungsrufen, welche ihm von der Tribüne entgegengebracht wurden, brachte Arsenals Nummer 12 ein Zuspiel von Teamkollege Song erfolgreich im gegnerischen Gehäuse unter. Er erzielte, wie zu besten Tagen seiner Karriere, den 1:0-Siegtreffer. Henry hält nichts mehr: Bis unter die Schädeldecke mit Endorphinen gefüllt, sprintet er zu seinem Mentor und Freund Arsené Wenger. Dieser, ebenfalls gerührt, möchte "Titi" gar nicht mehr loslassen, ihn am liebsten für immer in Londoner Gefilden halten. Wohl wissend, dass es vermutlich nur bei einem kurzen Intermezzo seines Lieblings bleiben wird.

Montag, 9. Januar 2012

Die Sehnsucht nach der Nadel

Nein, ich meine keine Sucht nach Spritzen oder ähnlichem. Weder Heroin noch andere Dinge. Die Damen der heutigen Zeit frönen sich vielmehr der Sucht nach der Stricknadel. Vor nicht allzu langer Zeit begann dieses als Hausfrauentätigkeit verschriene Schaffen Einzug in die Hobbysphäre zu nehmen. Erst widmeten sich, meinen Beobachtungen nach, Öko- und Ethnologen dem Stricken. Sie schwangen die Nadel grazil und zogen das Garn geschwind nach. Kaum hatten sie ein kleines, nur ein paar Quadratzentimeter großes Stück geschaffen, konnte man erahnen, dass aus diesen Wollfetzen wunderbare Schals, Mützen oder Socken entstehen würden. Doch ich täuschte mich, der Trend erfasste durch die Breite alle weiblichen Studierenden. Egal ob Französisch-Lehramt, Deutsch oder Geografie: Beinahe jede Kommilitonin diskutierte neuerdings darüber, welche Stricknadelgröße sich am besten für einen Schal eigne oder woher man die beste Wolle bekomme. Wie bei jedem Trend konnte man denken: Das hört auf. Bald wird auch wieder fernab der Wollwelt gelebt. Doch weit gefehlt: Mittlerweile können gar die Wirtschaftsingenieurinnen oder Psychologen nicht mehr vom Strickzeug lassen. Seide, Wolle, Baumwolle, Viskose oder Polyacryl, rechte Masche, linke Masche, Zopfmuster oder Bogeneffekte: Egal ob in der Vorlesung, während des Fernsehschauens oder dem gemütlichen Beisammensitzen - bald vielleicht gar auf dem Klo oder während des Fahrradfahrens. Überall ist das Klackern der Stricknadeln zu vernehmen, an sämtlichen Orten lauern Gefahren durch herumliegende Wollknäuel. Sobald mal nicht gestrickt werden kann, machen sich Entzugserscheinungen wie Unruhe oder "Hibbeligkeit", gepaart mit dem Wortlaut "Ich weiß gar nicht wohin mit meinen Fingern" breit. Entzugskliniken für Stricksüchtige? Bleibt nur zu hoffen, dass sie nicht die Kontrolle verlieren und mit der Nadel zu einem Goldenen Schuss ansetzen.

Sonntag, 8. Januar 2012

Das Spiel mit der Wurst

Die Posse um die Kredit- und mittlerweile auch Medienaffäre um Christian Wulff nimmt kein Ende. Erst die Ungereimtheiten bezüglich seines Haus-Kredits, dann ein Drohanruf bei der BILD-Zeitung bzw. Chefredakteur Kai Diekmann und nun ein ähnliches Telefonat mit Springer-Chef Döpfner. Ein unerhörter Angriff auf die Pressefreiheit, sollten sich die Ereignisse als wahr herausstellen. Garniert wurde diese Affäre, welche nun schon seit Wochen die Medienlandschaft bestimmt, mit dem Entschuldigungsauftritt des Bundespräsidenten bei ARD und ZDF. Lächerlich und arrogant.Wulff kämpft weiter, angeblich beraten CDU und SPD gemeinsam über einen Nachfolger. Einen Rücktritt schließt Christian Wulff aus. Er möchte die ganze Sache durchstehen, in "einem Jahr ist alles vergessen", so der 52-Jährige. Die gesamte Affäre entlarvte Wulff im übrigen als Freund der Wurst. Wie kaum ein Politiker vor ihm, griff er auf die Salamitaktik zurück, d.h. der stückchenweisen Darstellung der Geschehnisse. Vermutlich, um immer nur einen Teil der Wahrheit ans Licht zu bringen, mit der Hoffnung, die Journalisten und die Opposition gäben sich mit diesen Informationen zufrieden. Die arme Salami, eine Dauerwurstsorte, auch "Salzwurst" oder "Salzfleisch" genannt, musste in den letzten Wochen so einiges über sich ergehen lassen. Statt auf Pizzen oder Broten zu liegen, reist sie immer mehr durch die verschiedensten Mediengattungen. In der Berliner Morgenpost war sie ebenso Teil einer Schlagzeile ("Salamitaktik Wulffs muss ein Ende haben") wie beim Stern ("Die Salamitaktik des Christian Wulff"). Somit ist nicht nur das Ansehen und der Ruf Wulffs dahin, sondern auch das, der leckeren Fleischbeilage. Bleibt nur zu hoffen, dass Wulff endlich alle Fakten auf den Tisch legt, die Medien sich wieder vegetarischen Schlagzeilen widmen oder, sollte sich Wulff treu bleiben, auf die Plockwurst umgestiegen wird: Ein kostengünstiger Ersatz für Salami.

Freitag, 6. Januar 2012

Lichtspielhausspezialitäten: The Ides of March - Tage des Verrats

Ein Film von Regisseur, Co-Produzent, Co-Autor und Protagonist George Clooney über die amerikanischen Vorwahlen zu einem beinahe perfekten Zeitpunkt: Findet doch gerade die Kandidatensuche der Republikaner in den USA statt. Die Besetzung, Clooney als Präsidentschaftskandidaten Morris, Ryan Gosling als junger und ambitionierter Wahlkampfhelfer und Philip Seymour Hoffman als Kampagnenmanager des Team Morris der demokratischen Partei, glänzt. Der Polit-Thriller überzeugt in vielfacher Hinsicht und bringt einem die amerikanischen Primaries und die erbarmungslose Geltungssucht so mancher schillernder Mannsbilder näher. Zu guter letzt erinnert er an eine Tugend, die so manche Menschen vermissen lassen, obwohl sie von großer Wichtigkeit ist: die Loyalität. Alles in allem ein hervorragender Film, welcher dem Zuschauer bewusst macht, wie unerbittlich und hinterhältig das politische Milieu sein kann.

Das sterbende 20. Jahrhundert

Im vergangenen Jahr starben Menschen, welche das 20. und die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts - positiv wie negativ - prägten. Ein Vorbild der Politik beispielsweise, Václav Havel, der Wegbereiter der deutsch-tschechischen Aussöhnung, starb 75-jährig. Anti-Vorbilder wie der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il, Muammar al-Gaddafi und Osama bin Laden ebenso. Die beiden letztgenannten wurden ermordet. Größen aus dem Showgeschäft, wie Bernd Eichinger, Loriot, Amy Winehouse, Elizabeth Taylor und der 108-jährige Johannes Hesters fanden 2011 ebenfalls ihre letzte Ruhe. Innovative Köpfe und Besitzer von Imperien, ob IT, Versand oder Medien, namentlich Steve Jobs, Werner Otto und Leo Kirch wurden ebenso zu Grabe getragen wie die grandiosen Sportler Joe Frazier und Sócrates. Nicht zu vergessen die wunderbare Christa Wolf, die wohl größte zeitgenössische Schriftstellerin.

Mir sagte einst ein sehr guter Freund, so langsam sterbe das 20. Jahrhundert aus. Treffender hätte man es, meiner Meinung nach, nicht formulieren können.

"Wer hat mir auf den Kopf gemacht?"



Eine wunderbare Kindersendung, die, auch wenn es den Anschein macht, alles andere als unflätig oder afterpoetisch ist!

Donnerstag, 5. Januar 2012

Bolzplatzlegenden: Ein Vorbild wird 60

Mit gerade einmal 18 Jahren erreichte Ulrich "Uli" Hoeneß ein Anruf aus München. Am Hörer befand sich kein geringerer als Udo Lattek, Trainer des FC Bayern aus München. Er wolle ihn in seiner neuen Mannschaft haben. Auf einem Platz mit Maier, Beckenbauer und Müller: Diese Aussicht war es wohl, die es Hoeneß veranlasste, seinem Heimatort Ulm den Rücken zu kehren, sein Lehramtsstudium abzubrechen und fortan die Schuhe für den FC Bayern zu schnüren. Damals hätte wohl niemand gedacht, dass sich dieser Flirt zu einer mindestens 42 Jahre andauernden Liaison entwickeln würde.
"Er war einfach der reifeste aller Jungen, obgleich er immer der jüngste war." - U. Lattek
Uli Hoeneß etablierte sich schnell im Münchner Ensemble. Kaum in der Bundesliga angekommen, spielte er sich auf der Außenstürmerposition fest und wurde fester Bestandteil der Mannschaft, welche in seiner ersten Saison Vizemeister und Pokalsieger wurde. "Der schnellste lebende Stürmer Europas", wie Hoeneß wegen seiner Schnelligkeit - er sprintete die 100 Meter in elf Sekunden! - genannt wurde, bildete mit Gerd Müller ein fulminantes Sturmduo, welches es in einer Saison einmal auf 53 Tore brachte. Die Erfolge im Verein nahmen kein Ende: Es folgten drei deutsche Meisterschaften und der dreimalige Gewinn des Landesmeisterpokals. Im Finale 1974 gegen Athletico Madrid netzte Hoeneß zweimal ein und sicherte so den Sieg. Ein Jahr später gegen Leeds United allerdings zog er sich im Finalspiel eine Knieverletzung zu, welche, wie sich später herausstellen wird, noch Folgen haben sollte. Die guten Leistungen im Verein blieben selbstverständlich auch vom Nationaltrainer Helmut Schön nicht ungesehen. Bereits 1971 debütierte Hoeneß in der Nationalmannschaft. Eine tolle Leistung gegen die Engländer im EM-Viertelfinale von 1972 brachte ihm einen weiteren Spitznamen ein: Diesmal titulierte ihn die Presse als Himmelsstürmer. Im Stile eines solchen verlief seine weitere Karriere. Es folgte der Europameistertitel 1972, mit der wohl besten deutschen Nationalelf aller Zeiten. 1974 gar der Triumph bei der Weltmeisterschaft  im eigenen Lande. Doch auch ein Himmelsstürmer gelangt irgendwann an einen Punkt, an dem es bergab geht - und damit ist nicht der Flugzeugabsturz von 1982 gemeint, den Uli Hoeneß wie durch ein Wunder, im Gegensatz zu den drei weiteren Insassen, überlebte. Für ihn war dies wohl das EM-Finale von 1976. Trotz der Rücktritte von Müller, Overath und Grabowski gelang der deutschen Elf der Einzug ins Finale. Nach einem 2:2 nach Verlängerung musste das Elfmeterschießen herhalten. Hoeneß aber semmelte seinen Elfmeter über das Tor, die Tschechoslowakei wurde Europameister. Noch im gleichen Jahr trat er nach 35 Länderspielen und 5 Toren aus der Nationalelf zurück. Auf Vereinsebene lief es Ende der Siebziger ebenfalls nicht mehr gut. Starspieler verließen die Bayern und Hoeneß litt unter seinem verlorenen Stammplatz unter Trainer Gyula Lorant. So ließ er sich zur Saison 1978/79 nach Nürnberg ausleihen. Sein einziger Seitensprung in seiner fußballerischen Karriere. Die anhaltenden Kniebeschwerden jedoch ließen ihn kein vernünftiges Spiel für die "Clubberer" bestreiten. Diese zwangen ihn kurz darauf zum Ende seiner Karriere.
"Es ist erstaunlich wie der Uli es versteht, aus allem ein Geschäft zu machen." - P. Breitner

Im Frühjahr '79 wechselte Hoeneß ins Management des FC Bayern. Die Münchner erwirtschafteten zu diesem Zeitpunkt zwölf Millionen Mark Umsatz und standen mit sieben Millionen in der Kreide - 30 Jahre später sollte der Club über ein prall gefülltes "Festgeldkonto" verfügen und einen Umsatz von über 350 Millionen Euro erreichen. Der Manager packte an, fädelte Sponsorendeals ein, handelte Merchandise-Verträge aus und holte Paul Breitner zurück. Zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge sollte er eine neue sportliche Ära prägen. Unter dem Funktionär Hoeneß wird der FC Bayern 16 deutsche Meisterschaften sammeln, nicht zu vergessen die sechs Pokalsiege und der Gewinn des UEFA-Pokals 1996. Das Ziel, den höchsten aller Vereinstitel, die Champions League, zu gewinnen, verlor Hoeneß nie aus den Augen. Die Bayern waren bereits drei Mal, 1982, 1987 und 1999 gescheitert, ehe sie endlich, 25 Jahre nach dem letzten Triumph, den Henkelpott auf dem Münchner Rathausbalkon präsentieren konnten. Somit fallen fast alle Titelgewinne des FC Bayern in die Schaffenszeit des gebürtigen Ulmers.
Auch außerhalb des Platzes sorgte Uli Hoeneß, nebenberuflich Wurstfabrikant mit über 150 000 verkauften Würstchen pro Tag, immer wieder für Schlagzeilen: Die "Abteilung Attacke" entstand und versorgte die Journalisten regelmäßig mit Schlagzeilen. Die Allianz-Arena im Stadtteil Fröttmanning, eines der modernsten Stadien der Welt, wurde errichtet. Geschichtsträchtig, wenn auch negativ, war der öffentlichen Disput mit Christoph Daum, zu welchem er sich hinreißen ließ und somit, ob gewollt oder nicht, Protagonist der sogenannten "Koks-Affäre" wurde.

"So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profi-Fußball nicht." - M. Scholl

Immer jedoch ist Uli Hoeneß Mensch geblieben. Gegenüber seinen Spielern verhielt er sich immer korrekt und loyal, teilweise freundschaftlich. Mehmet Scholl nennt ihn gar seinen "Ziehvater". Es werde sich kein Fußballer finden lassen, der etwas gegen Uli Hoeneß sagt, so Scholl, der früher beinahe mal bei Hoeneß eingezogen wäre. Sammy Kuffour bekam von Hoeneß eine teure Chartermaschine gestellt, um schnellstmöglich zu seinem verstorbenen Kind nach Ghana zu reisen. Als Der FC St. Pauli finanziell am Abgrund war, griff Hoeneß als "Retter" ein. Er stand zu Sebastian Deisler, als dieser sich wegen anhaltender Depressionen zu einem Karriereende entschloss.

"Ich bin immer ein harter Gesprächspartner. Aber die Jungs wissen, dass sie sich auf mich verlassen können." - U. Hoeneß

Als Frank Ribéry sich einer medialen Hetzkampagne ausgesetzt sah, war es "Uli 'Önes" der sich vor ihn stellte und ihn schützte. Doch auch fernab des Fußballs erwies sich der Manager als Herzensmensch. So setzte er sich nach dem sogenannten "S-Bahn-Mord", dem Mord an Dominik Brunner, für mehr Zivilcourage ein und hielt eine imposante Rede vor ausverkauftem Haus in der heimischen Arena. Er nannte Brunner ein "Vorbild für Zivilcourage und praktizierender Nächstenliebe". Kurz darauf übernahm er den Vorsitz des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung

Uli Hoeneß: Kaum ein Mann im deutschen Fußballgeschäft polarisiert so sehr wie er. Man mag ihm manchmal Größenwahn und Arroganz vorwerfen können, doch darf man nicht vergessen, dass dieser Mann nicht nur ein exzellenter Macher - der FC Bayern ist dank ihm sportlich wie finanziell in der Weltspitze vertreten -, sondern auch feiner Mensch ist. Ein Vorbild für jeden von uns wird am heutigen Donnerstag 60 Jahre. Herzlichen Glückwunsch!






Der FC Bayern-Chor mit Helmut Lotti, Verzeihung, Christian Nerlinger!