Snake Skin Shoes

Snake Skin Shoes

Sonntag, 27. Februar 2011

111 Jahre "Mia san mia"

Heute vor 111 Jahren traf sich ein Mann namens Franz John mit weiteren 17 Männern. Sie alle teilten eine Leidenschaft: Die Liebe zum Sport, zum Fußball. So gründeten sie am 27. Februar 1900 den FC Bayern München. Heute, ein Jahrhundert, eine Dekade und ein Jahr später ist aus diesem Verein der größte und erfolgreichste Deutschlands geworden und das mit mehr als 167.000 Mitgliedern, einem geschätztem Jahresumsatz von 320 Millionen Euro und eine ellenlange Liste von Erfolgen.
Im Jahr 1932 gelang es dem Verein erstmals die deutsche Meisterschaft zu erringen. Im Finale gegen Nürnberg gewann man 2:0. Die folgenden Jahre waren überschattet von der Nazi-Diktatur: Präsident Kurt Landauer musste aufgrund seiner jüdischen Wurzeln zurücktreten. Viele Spieler traten die Flucht in die Schweiz an, unter ihnen auch Topspieler Oskar Rohr. Zudem wurde der als "Judenclub" abgestempelte Verein wurde mit reichlich Repressalien belegt.
1957 wurde der erste DFB-Pokal-Sieg eingefahren. Eigentlich gar nicht willig, am Wettbewerb teilzunehmen, um Reisekosten zu sparen, erreichte der FCB das Endspiel und schlug hier die Düsseldorfer Fortuna.
Ein Mann namens Zlatko Caikovski übernahm den FCB Anfang der sechziger Jahre in der neugeschaffene Regionalliga. Unter seinen Fittichen ein gewisser Franz Beckenbauer, nur bei den Roten in München, da er im Trikot der 60er von einem Mitspieler geohrfeigt wurde, und sich deshalb für einen Wechsel entschloss. Aber auch ein "kleines, dickes Müller" machte seine ersten Spiele und vorallem Tore. Im Jahr 1965 folgte der Aufstieg in die Bundesliga.
Die siebziger Jahre waren international DAS Jahrzehnt des Vereins, der Weg auf den Thron Europas wurde beschritten. Udo Lattek schaffte es mit der Achse Maier - Beckenbauer - Müller, plus weiteren Größen wie Breitner, Schwarzenbeck und Hoeneß, drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister zu gewinnen. Auch in der Liga setzte der Verein eine Bestmarke: So wurde die Saison 1971/72 als Meister mit 101 geschossenen Toren - 40 Stück gingen davon allein auf das Konto vom Bomber, von Gerd Müller. Die Mannschaft spielte von nun an im Olympiastadion zu München. Dies sollte bis ins Jahr 2005 auch die Spielstätte der Bayern bleiben. Im Jahr 1974 wurde Deutschland, auch aufgrund des Bayernblocks, Weltmeister im eigenen Land und in eben diesem Stadion.
Der Schritt in die Achtziger wurde mit einem Umbruch vollzogen: Beckenbauer verließ den Verein Richtung Amerika, ebenso Müller. Schwarzenbeck beendete seine Karriere wie auch Maier und Hoeneß. Neue Spieler, wie Rummenigge, Dieter Hoeneß und Augenthaler kamen hinzu. Doch auch ein Rückkehrer aus Spanien: Paul Breitner. Unter seiner Regie wurden in den folgenden Jahren sechs nationale Meisterschaften und drei Pokalsiege eingefahren.
Diese Souveränität ging verloren: Die Neunziger waren eine andauernde Trainersuche. Der Verein verlor bis kurz vor dem Jahrtausendwechsel seine Identität. Das Mia san Mia wurde vom FC Hollywood abgelöst. Heynckes, Ribbeck, Trapattoni, Rehhagel, Beckenbauer, Trapattoni als Trainer "getestet". Spieler kamen und gingen: Laudrup, Sternkopf, Mazinho waren Negativbeispiele. Doch bewies der FC Bayern auch ein gutes Händchen: Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Mehmet Scholl, Jorginho, Oliver Kahn, Bixente Lizarazu und auch Giovane Elber sowie Stefan Effenberg fanden den Weg nach München. Sie sollten unter der Leitung von Ottmar Hitzfeld eine neue Ära prägen. Der "Sekunden-Tod, die Niederlage im CL-Finale 1999, ließ den Verein noch mehr zusammen wachsen. Nur so konnte zwei Jahre später der Traum endlich erfüllt werden.
Elfmeterschießen in Mailand. Es ist der 23.5.2001: Oliver Kahn hält den entscheidenden Elfmeter, die Bayern haben den Henkelpott in ihren Händen. Europas Thron ist wieder rot-weiß besetzt. Doch nicht nur das: Die Meisterschale liegt ebenso in vertrauten Gefilden. Patrik Andersson sorgte mit seinem Last-Minute-Tor für die verloren geglaubte Meisterschaft.
In den folgenden Jahren kamen einige Titel hinzu, Meisterschaften, Pokalsiege.  Die Allianz-Arena wurde fertiggestellt. Ein Fußballtempel, wie es dieser Club verdient. Typen wurden geschaffen: Michael Ballack beispielsweise, Bastian Schweinsteiger und Phillip Lahm. Doch kamen auch Namen nach München, die International bereits für Furore sorgten, wie etwa Makaay, Toni, Ribéry und Robben. Diese beiden prägen das heutige Team, sind das Gerüst in Kombination mit Lahm und Schweinsteiger. Unter Louis van Gaal, dem holländischen Exzentriker und Feierbiest, sollte diese Geschichte weitergeschrieben werden. Es gelang: Mit den Jungspunden Badstuber und Müller gewann man Meisterschaft und Pokal 2010, verlor unglücklich das Finale der Champions League. 
Die Aussichten auf erfolgreiche Jahre in der Zukunft sind also gegeben, auch, da der Verein seine Identität, seine Besinnung auf Tradition, zurückgewonnen hat. Das, was ihn, seine Spieler, seine Anhänger ausmachten und ausmachen:  das Mia san Mia. Herzlichen Glückwunsch, FC Bayern München!

Auch erschienen auf SPOX.com am 28. Februar 2011.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Des einen Arbeitsende, des anderen Arbeitsbeginn

Das Spiel ist vorbei, der 1.FC Nürnberg gewinnt etwas überraschend am 20. Spieltag der Fußball-Bundesliga 2:0 gegen den Hamburger SV im heimischen Stadion. Die Arbeit für die Spieler ist getan, der Feierabend ruft. Die Arbeit der Journalisten aber beginnt erst. Bereits unmittelbar nach Abpfiff postieren sich die Medienvertreter in der sogenannten Mixed-Zone, dem Bereich meist in Nähe des Spielfeldrandes, um Stimmen zu erhaschen, die umgehend in Artikel oder Berichte eingearbeitet werden. Inmitten dieser Reporter tummelte ich mich und versuchte, einen Einblick in die unglaublich schnelle Arbeitswelt zu bekommen.

Inszenierung des Wahnsinns

Das Dokumentationszentrum in Nürnberg zeigt seit 2001 in Form von Audio- und Schriftdokumenten, sowie Überbleibseln und Bildern die Geschichte der Reichsparteitage. Ich hatte im Rahmen einer Exkursion das Glück, dieses Museum besuchen zu dürfen, aber nicht nur das: Auch die übergebliebenen Bauwerke sah und betrat ich. Was im Kopf blieb? Fassungslosigkeit und eine neue Definition von Größenwahn.
„Empfangen“ wird der Besucher von einem Video, welches zwei Jugendliche zeigt, die mit einem Skateboard über das heutige Gelände fahren. Jedoch werden immer wieder Bilder aus den 1930er-Jahren eingeblendet, die als Kontrast dienen sollen. Aufgeteilt ist das Museum in 19 Bereiche, der Besucher hat die Möglichkeit, einen Audioführer zu nutzen, welcher die Führung noch spannender werden lässt. Alle 19 Teilbereiche durchzugehen wäre zu viel, daher möchte ich mich auf einige beschränken, diese dafür etwas genauer beleuchten. Der erste Abschnitt ist der beginnenden Nazibewegung zu geschrieben. Mit Hilfe von Bildern, versehen mit Untertiteln, sowie Videoaufnahmen werden die Geschehnisse des „Deutschen Tag“ am 1. und 2. September 1923 in Nürnberg dargestellt. Es folgen Passagen, welche die Entwicklung der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 darstelle, In diesem Zeitraum fallen u.a. die Dolchstoßlegende, aber auch die Hitler-Prozesse sowie die Machtergreifung. Besonders positiv hervorheben möchte ich hier die Darstellung von Reliquien, die im Museumsboden eingelassen sind. Sie geben dem Besucher das Gefühl, Teil der damaligen Zeit gewesen zu sein. Ein Schwerpunkt liegt natürlich auf der Geschichte der Reichsparteitage, welche ab 1933 in Nürnberg abgehalten wurden. Die Wahl auf Nürnberg fiel bewusst: Bereits im Mittelalter fanden hier Reichstage statt, beispielsweise verkündete Karl IV. 1356 in Nürnberg die Goldene Bulle. Das NS-Regime knüpfte bewusst an diese Vergangenheit, sie wollten sich als „Wahrer“ und „Erneuerer“ des Reiches darstellen. Willy Liebel, ab März 1933 Bürgermeister Nürnbergs, nannte die Stadt „Deutscheste aller Städte“. Adolf Hitler gab ihr den Zusatz „Stadt der Reichsparteitage“ und machte sie zu einer der fünf Führerstädte. Den Höhepunkt stellte die „Heimholung“ der Reichskleinodien von Wien nach Nürnberg dar. Somit sollte keine andere Stadt so sehr im Zeichen des Nationalsozialismus stehen, wie die fränkische Metropole. Im Jahr 1934 wurde Albert Speer beauftragt, ein elf Quadratkilometer großes Gelände zu bebauen. Die Gebäude sollten beeindrucken und einschüchtern. Hitler fügte hinzu: „Niemals werden in der deutschen Geschichte größere und edlere Bauwerke geplant, begonnen und ausgeführt als in unserer Zeit (…)“. 

Es entstanden die Luitpoldarena, mit Platz für ca. 150 000 Menschen. Hier fanden  Reden und Kundgebungen sowie Ehrungen für Gefallene beim Hitlerputsch 1923 statt. Ebenso die Kongresshalle, die das größte erhaltene Monument des Dritten Reiches ist und heute unter Denkmalschutz steht. Nicht zu vergessen die Große Straße, welche als Aufmarschlinie gedacht war. Unser Stadtführer Mathis Neidhart fügte interessanterweise hinzu, dass die Abstände der Platten dem Stechschritt eines preußischen Soldaten angepasst waren. Dies sollte „den Marsch erleichtern“. Nicht fertig gestellt wurde das Deutsche Stadion, welches Platz für ca. 500 000 Menschen bieten sollte. Jedoch wurde das Bauvorhaben mit Beginn des Krieges eingestellt, nur noch die Baupläne und ein mit Grundwasser vollgelaufenes ausgehobenes Fundament sind erhalten. Die Reichsparteitage dienten immer der äußeren Selbstdarstellung. Die Zuschauer sollten in ihren Gefühlen angegriffen, Politik sollte erlebt werden. Die Inszenierung wurde zum wichtigsten Kriterium dieser Veranstaltung, welche gespickt war mit christlichen und germanischen Bräuchen und militanten Ritualen. Der Führermythos sollte ebenso in Szene gesetzt werden, wie die Volksgemeinschaft. Nürnberg war während dieser Zeit das Zentrum schlechthin, insgesamt besuchten meist bis zu einer Million Menschen die Reichsparteitage. Höhepunkt war die Fahrt des Führers im offenen Wagen durch die Straßen, die oftmals mit zehntausenden Menschen gesäumt waren. Denjenigen, den es nicht „vergönnt“ war, an diesem Spektakel teilzunehmen, wurden mit „Direktübertragungen in die heimischen Fernsehstuben“, unter der Regie von Leni Riefenstahl, versorgt. Sehr anschaulich und verständlich ist dies im Museum dargestellt, es werden Originalausschnitte aus eben diesen Übertragungen gezeigt. Die Geschichte der Reichsparteitage von 1933 bis 1938 nimmt den Schwerpunkt der Ausstellung, aufgeteilt in den Bereichen vier bis fünfzehn, im Dokumentationszentrum ein. Doch auch die Ereignisse vor 1933 werden ausreichend und verständlich beleuchtet, wie die nach 1938. Eine Chronologie mit den wichtigsten Geschehnissen, vom Kriegsverlauf bis zu den Nürnberger Prozessen, ist hierzu am Ende des Rundganges postiert. 
Zu dem Gelände der Nürnberger Reichsparteitage gilt zu sagen, dass sie auch nach 1945 weiterhin benutzt wurden, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Zwecken: Einige Areale wurden zu einer Trabantenstadt, die heute ein eigener Stadtteil ist, die Luitpoldarena wird für Autorennen zweckentfremdet und die Kongresshalle, die dem Kolosseum in Rom gleicht, ist heute eine Lagerstätte.