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Donnerstag, 17. Februar 2011

Inszenierung des Wahnsinns

Das Dokumentationszentrum in Nürnberg zeigt seit 2001 in Form von Audio- und Schriftdokumenten, sowie Überbleibseln und Bildern die Geschichte der Reichsparteitage. Ich hatte im Rahmen einer Exkursion das Glück, dieses Museum besuchen zu dürfen, aber nicht nur das: Auch die übergebliebenen Bauwerke sah und betrat ich. Was im Kopf blieb? Fassungslosigkeit und eine neue Definition von Größenwahn.
„Empfangen“ wird der Besucher von einem Video, welches zwei Jugendliche zeigt, die mit einem Skateboard über das heutige Gelände fahren. Jedoch werden immer wieder Bilder aus den 1930er-Jahren eingeblendet, die als Kontrast dienen sollen. Aufgeteilt ist das Museum in 19 Bereiche, der Besucher hat die Möglichkeit, einen Audioführer zu nutzen, welcher die Führung noch spannender werden lässt. Alle 19 Teilbereiche durchzugehen wäre zu viel, daher möchte ich mich auf einige beschränken, diese dafür etwas genauer beleuchten. Der erste Abschnitt ist der beginnenden Nazibewegung zu geschrieben. Mit Hilfe von Bildern, versehen mit Untertiteln, sowie Videoaufnahmen werden die Geschehnisse des „Deutschen Tag“ am 1. und 2. September 1923 in Nürnberg dargestellt. Es folgen Passagen, welche die Entwicklung der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik von 1918 bis 1933 darstelle, In diesem Zeitraum fallen u.a. die Dolchstoßlegende, aber auch die Hitler-Prozesse sowie die Machtergreifung. Besonders positiv hervorheben möchte ich hier die Darstellung von Reliquien, die im Museumsboden eingelassen sind. Sie geben dem Besucher das Gefühl, Teil der damaligen Zeit gewesen zu sein. Ein Schwerpunkt liegt natürlich auf der Geschichte der Reichsparteitage, welche ab 1933 in Nürnberg abgehalten wurden. Die Wahl auf Nürnberg fiel bewusst: Bereits im Mittelalter fanden hier Reichstage statt, beispielsweise verkündete Karl IV. 1356 in Nürnberg die Goldene Bulle. Das NS-Regime knüpfte bewusst an diese Vergangenheit, sie wollten sich als „Wahrer“ und „Erneuerer“ des Reiches darstellen. Willy Liebel, ab März 1933 Bürgermeister Nürnbergs, nannte die Stadt „Deutscheste aller Städte“. Adolf Hitler gab ihr den Zusatz „Stadt der Reichsparteitage“ und machte sie zu einer der fünf Führerstädte. Den Höhepunkt stellte die „Heimholung“ der Reichskleinodien von Wien nach Nürnberg dar. Somit sollte keine andere Stadt so sehr im Zeichen des Nationalsozialismus stehen, wie die fränkische Metropole. Im Jahr 1934 wurde Albert Speer beauftragt, ein elf Quadratkilometer großes Gelände zu bebauen. Die Gebäude sollten beeindrucken und einschüchtern. Hitler fügte hinzu: „Niemals werden in der deutschen Geschichte größere und edlere Bauwerke geplant, begonnen und ausgeführt als in unserer Zeit (…)“. 

Es entstanden die Luitpoldarena, mit Platz für ca. 150 000 Menschen. Hier fanden  Reden und Kundgebungen sowie Ehrungen für Gefallene beim Hitlerputsch 1923 statt. Ebenso die Kongresshalle, die das größte erhaltene Monument des Dritten Reiches ist und heute unter Denkmalschutz steht. Nicht zu vergessen die Große Straße, welche als Aufmarschlinie gedacht war. Unser Stadtführer Mathis Neidhart fügte interessanterweise hinzu, dass die Abstände der Platten dem Stechschritt eines preußischen Soldaten angepasst waren. Dies sollte „den Marsch erleichtern“. Nicht fertig gestellt wurde das Deutsche Stadion, welches Platz für ca. 500 000 Menschen bieten sollte. Jedoch wurde das Bauvorhaben mit Beginn des Krieges eingestellt, nur noch die Baupläne und ein mit Grundwasser vollgelaufenes ausgehobenes Fundament sind erhalten. Die Reichsparteitage dienten immer der äußeren Selbstdarstellung. Die Zuschauer sollten in ihren Gefühlen angegriffen, Politik sollte erlebt werden. Die Inszenierung wurde zum wichtigsten Kriterium dieser Veranstaltung, welche gespickt war mit christlichen und germanischen Bräuchen und militanten Ritualen. Der Führermythos sollte ebenso in Szene gesetzt werden, wie die Volksgemeinschaft. Nürnberg war während dieser Zeit das Zentrum schlechthin, insgesamt besuchten meist bis zu einer Million Menschen die Reichsparteitage. Höhepunkt war die Fahrt des Führers im offenen Wagen durch die Straßen, die oftmals mit zehntausenden Menschen gesäumt waren. Denjenigen, den es nicht „vergönnt“ war, an diesem Spektakel teilzunehmen, wurden mit „Direktübertragungen in die heimischen Fernsehstuben“, unter der Regie von Leni Riefenstahl, versorgt. Sehr anschaulich und verständlich ist dies im Museum dargestellt, es werden Originalausschnitte aus eben diesen Übertragungen gezeigt. Die Geschichte der Reichsparteitage von 1933 bis 1938 nimmt den Schwerpunkt der Ausstellung, aufgeteilt in den Bereichen vier bis fünfzehn, im Dokumentationszentrum ein. Doch auch die Ereignisse vor 1933 werden ausreichend und verständlich beleuchtet, wie die nach 1938. Eine Chronologie mit den wichtigsten Geschehnissen, vom Kriegsverlauf bis zu den Nürnberger Prozessen, ist hierzu am Ende des Rundganges postiert. 
Zu dem Gelände der Nürnberger Reichsparteitage gilt zu sagen, dass sie auch nach 1945 weiterhin benutzt wurden, wenn auch zu ganz unterschiedlichen Zwecken: Einige Areale wurden zu einer Trabantenstadt, die heute ein eigener Stadtteil ist, die Luitpoldarena wird für Autorennen zweckentfremdet und die Kongresshalle, die dem Kolosseum in Rom gleicht, ist heute eine Lagerstätte. 



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